Die finanzielle Situation des Landkreises Kaiserslautern und vieler Gemeinden ist seit Jahren prekär. Dass das so ist, liegt an strukturellen Zusammenhängen – von Bund und Land werden den Kommunen seit Jahren z.B. Pflichtaufgaben zugewiesen, ohne ausreichend für deren Refinanzierung zu sorgen. Die Folge: die kommunalen Bilanzen rutschen immer tiefer ins Minus. Um dem ein Ende zu machen, hat sich der Landkreis bereits vor einiger Zeit entschlossen, den gerichtlichen Klageweg zu beschreiten. WIR IM LANDKREIS berichtete mehrfach u.a. im Juli, August und September 2019.
Mittlerweile erfährt der Kreis Unterstützung durch kommunale Spitzenverbände und sogar vom Deutschen Landkreistag. In der jüngsten Kreistagssitzung informierte Landrat Ralf Leßmeister über den Stand der derzeit drei anhängigen Klagen. In der ersten geht es um die Kreisumlage, in der zweiten um die unzureichende Finanzausstattung durch das Land und in der dritten um eine Verfassungsbeschwerde.
Seit Jahren haben die Ortsgemeinden im Kreis kaum noch oder gar keine freien Finanzspitzen mehr, also Geld, das sie in ihren Haushalten für freiwillige Projekte einsetzen könnten. Sie geben von ihren Einnahmen 42,25 Prozent an den Landkreis ab – die sogenannte Kreisumlage, der Rest geht an die Verbandsgemeinden. Unter Hinzurechnung der Verbandsgemeindeumlage verbleibt den Ortsgemeinden nur noch ein geringer eigener Gestaltungsspielraum. Was bleibt also von der Selbstverwaltung der Gemeinden übrig? Die Hoheit über die eigenen Finanzen ist ein zentrales Recht der Selbstverwaltung. Dass das ein Grundprinzip unseres Staates sein soll, wurde sogar im Grundgesetz festgeschrieben. Dort heißt es: „Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Diese Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung.“
Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier hat im März 2016 den Landkreis Kaiserslautern mit sofortiger Vollziehung verpflichtet, seinen Fehlbetrag im Ergebnishaushalt 2016 um 2 Mio. Euro durch „nachhaltige, nachweisbare und strukturelle Veränderungen“ zu reduzieren. Damit wollte die ADD ihre Forderung durchsetzen, dass der Landkreis seine Kreisumlage um 2 % von 42,25 % auf 44,25 % erhöht. Aber aus ohnehin schon leeren Kassen der Ortsgemeinden wären weitere 2 Prozentpunkte nicht zu erheben gewesen. Deshalb hat der Kreistag die ADD-Forderung abgelehnt. Kurz darauf hatte die ADD die Erhöhung im Wege der Ersatzvornahme selbst vorgenommen. Der Landkreis hat sich gegen diese Maßnahmen gewehrt, zunächst bei der ADD Widerspruch eingelegt und nach dessen Zurückweisung eine Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht Neustadt erhoben. Im Juni 2018 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und gesagt, die Umlagenerhöhung sei zumutbar und dabei auf vorhandenes Eigenkapital der Gemeinden verwiesen. Im November 2018 hat dann der Landkreis gegen das Urteil Berufung eingelegt – jetzt bei der nächst höheren Instanz, dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Koblenz. Mittlerweile wurden Stellungnahmen der Beteiligten und von den kommunalen Spitzenverbände beim Gericht abgegeben. Jetzt wartet man auf einen Termin für die mündliche Verhandlung. Übrigens: Die Berufungsklage beim OVG Koblenz ist ebenso wie die vorgelagerte Klage beim Verwaltungsgericht Neustadt als Musterprozess anerkannt.
Seit Jahren beklagen sich rheinland-pfälzische Landkreise und Städte, dass die kommunale Finanzausstattung im Rahmen des Finanzausgleichs völlig unzureichend ist. Hier geht es um die Schlüsselzuweisungen; Gelder des Landes werden nach einem bestimmten Verteilprinzip an die Kommunen gegeben. Deshalb hat der Kreis Kaiserslautern und die Stadt Pirmasens im Mai 2016 Klage gegen das Land Rheinland-Pfalz wegen unzureichender Finanzausstattung eingereicht. Auch diese Klage wurde als Musterprozess an-erkannt. In mehreren umfangreichen Schriftsätzen tauschen das Land Rheinland-Pfalz, der Landkreis Kaiserslautern und die Stadt Pirmasens ihre Argumente aus.
Eine mündliche Verhandlung beim Verwaltungsgericht Neustadt fand im Frühjahr 2019 statt. Das Ergebnis darf als ein erster Erfolg gewertet werden. Denn das Verwaltungsgericht erließ einen sogenannten Aussetzungs- und Vorlagenbeschluss an den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz mit der Begründung, das Landesfinanzausgleichsgesetz (LFAG) 2014 sei nicht verfassungskonform. Das Gericht führt in seiner Begründung aus, das Land habe den Kommunen nicht die gemäß Art. 49 Abs. 6 der Landesverfassung gebotene angemessene Finanzausstattung der Höhe nach gewährt.
Jetzt müssen das Land Rheinland-Pfalz, der Landkreis Kaiserslautern, die Stadt Pirmasens und die Kommunalen Spitzenverbände Stellung bis zum 30. November dieses Jahres Stellung nehmen.
Der Kreistag stimmte im August 2019 für eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht, die Mitte Oktober schließlich in einem Parallelverfahren mit der Stadt Pirmasens eingereicht wurde. Die Begründung lautet im Kern, dass es das Land Rheinland-Pfalz unter Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 GG („Schwestervorschrift“ zu Art. 49 Abs. 6 LV) unterlassen hat, durch das 6. Landesgesetz zur Änderung des LFAG vom 10.10.2018 eine angemessene kommunale Finanzausstattung im Sinne des Art. 28 GG zu regeln. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass hinsichtlich der Regelungen des LFAG über die Zuweisungen des Landes Rheinland-Pfalz an die Kommunen keine Ermittlung des kommunalen Finanzbedarfs vorausgegangen ist. Da der Ausgang dieser Normenkontrolle bundesweite Auswirkungen haben wird, hat der Landkreistag Rheinland-Pfalz zugesagt, sich an den Kosten mit 25.000 Euro zu beteiligen. Bleibt nun zu hoffen und abzuwarten, ob das höchste deutsche Verfassungsgericht die direkte Normenkontrollklage zulässt.