Die Welt des Nähens

Nach 67 Jahren schließt Bäumer Nähmaschinen in Kaiserslautern seine Pforten
„Das Nähmaschinenhaus“ in Hohenecken bedient jetzt auch Bernina-Kunden

Von den Fenstern prangt der in Kaiserslautern seit vielen Jahren bekannte Schriftzug „Bernina“, daneben leicht erkennbar die Flagge der Schweiz. Viele Jahrzehnte zeigte dieses Zeichen am Haus in der Wormser Straße 4 an, was das Ziel vieler Mädchen, Frauen und auch ein paar Männern war: Bäumer Nähmaschinen. Drinnen herrscht derzeit Umtriebigkeit. Ernst-Albrecht und Elvira Bäumer erklären hier einer Kundin wie das Nähprogramm gestartet wird, dort welche Garne man am besten verwendet und welcher reißverschluss passt. Hell beleuchtet stehen die „Bernina“-Nähmaschinen in den Regalen. Eine junge Frau bleibt fast ehrfürchtig – so scheint es – auf Armeslänge vor dem Bernina-Super-Modell stehen, betrachtet die Nähmaschine und man sieht sofort: es ist High-Tech! Dass Interessierte davon beeindruckt sind, kennen die Bäumers. Denn Bernina-Nähmaschinen – das ist Qualität! Heute ist der Laden voll, an der langen Wand mit buntem Nähgarn drängen sich Freizeitschneiderinnen. Wenn es an den Nähmaschinen Ernst wird, steigert das das Interesse der männlichen Begleitung. Zwischen 2.500 und 9.000 Euro kosten die kleinen Nähwunder, die eigentlich Computer sind.

Ausverkauf bei Bäumer! Noch bis 30. November ist das Geschäft geöffnet. Dann ist Schluß. Für immer. Nach 67 Jahren hören die Bäumers auf. Thomas Fluhr aus Hohenecken wird zwar die Marke Bernina in Kaiserslautern weiterführen, aber der Standort Wormser Straße und das Geschäft Bäumer Nähmaschinen wird per Ultimo geschlossen, das Haus ist verkauft. Damit geht nicht nur eine Ära des lokalen Einzehandels zu Ende. Auch eine kleine Familientradition findet einen Abschluss. Noch sind Bäumers den ganzen Tag beansprucht, so richtig viel Zeit zum In-Sich-Gehen hatten Elvira und Ernst-Albrecht Bäumer noch nicht. Die Entscheidung, altersbedingt aufzuhören, fiel im Sommer, für das Gebäude hatte sich schnell eine gute Lösung gefunden und dass Thomas Fluhr die Marke weiterführt, beruhigt auch das Gewissen, denn die Stammkunden wissen nun, an wen sie sich zukünftig wenden können.

Und doch steigen immer wieder die Wehmutsgefühle hoch. Das Haus kennt Ernst-Albrecht Bäumer seit Kindheitstagen, die Großmutter lebte hier, deren Handel war als „Grumbeer-Fink“ überall bekannt. Sein Vater Albrecht Bäumer begann dann 1952 in dem heutigen Verkaufsraum mit Ausstellung von Industrienähmaschinen. Damals ein lohnendes Geschäft, denn bis zu 7.000 Näherinnen in Firmen wie Philipp & Mahler, Hopp, Müllmerstadt, Kaiser oder RAKA nähten in Kaiserslautern für Modemarken wie Gerry Weber, Steinmann und Gardeur. Ende der 1980er Jahre wanderten diese Arbeitsplätze in Niedriglohnländer ab. Bäumer musste sich etwas Neues einfallen lassen. Seit 1966 gab es Bäumers Ladengeschäft in der Pirmasenser Straße (gegenüber vom damaligen Café Bremer). Dort wurden Endkunden bedient, in jener Zeit brummte das Geschäft. Die Menschen nähten selbst und flickten ihre Kleidung – aus Kostengründen. Die große Lautrer Konkurrenz stach der findige Albrecht Bäumer immer wieder aus. So gewann er einmal einen bundesweit durchgeführten Schaufensterdekorations-Wettbewerb und sorgte auch sonst immer mit einfallsreichen Ideen dafür, dass sich die Lauterer an den Schaufenstern kaum sattsehen konnten.

1989 übernahm dann Ernst-Albrecht, inzwischen Maschinenbautechnikermeister, die Leitung des Geschäfts. Immer wieder wurde der Ausstellungsraum in der verändert, modernisiert, auf neue Bedarfe eingestellt. In den 1990er Jahren schloss man das Ladengeschäft in der Stadt und stellte die Nähmaschinen in der Wormser Straße aus. Gleichzeitig begann Bäumer mit einem Servicecenter in seiner Werkstatt, in der er Reparaturleistungen durchführte. 1998 stieg dann seine heutige Gattin Elvira ein. Die gelernte Damenschneiderin hatte den richtigen Zugang zu den heutigen Kundenwünschen. Denn die hatten sich massiv gewandelt. Heute näht man aus Lust und um kreativ zu sein, um sich individuelle Kleidung zu machen, die sonst keiner hat. Die ersten Stickmaschinen kamen auf den Markt und das private Nähen kam wieder stärker auf, als die elektronischen Nähmaschinen eingeführt wurden. Gebietsverkaufsleiter Dieter Lenz ist sich sicher, dass es das private Nähen immer geben wird, zwar werden sich die Motive ändern, aber Nähmaschinen sterben nie aus. Die heutigen Maschinen können viel, brauchen aber Einweisung und Beratung. Die liefern zuverlässig  die geschulten Partner wie bisher Bäumer und künftig eben Thomas Fluhr, Hohenecken.

Hier ein kleiner Film: https://www.youtube.com/watch?v=WNydZ7YVPBM