Was bleibt, was kommt?

Rückblick und Ausblick – Interview mit Landrat Ralf Leßmeister

Rückblickend wird das unvorhersehbare, kuriose und außergewöhnliche Krisenjahr 2020 wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Ein Virus, das zu einer weltweiten Bedrohung in einem bislang ungekannten Ausmaß wurde, bestimmte unser soziales, wirtschaftliches und gesellschaftliches Leben. Aber Corona war nicht alles und deshalb führten wir mit Landrat Ralf Leßmeister ein Interview über das, was im alten Jahr in Erinnerung bleibt und was im neuen Jahr zu erwarten ist.

Herr Landrat, wie blicken Sie auf das Jahr 2020 zurück?
Das Jahr 2020 wird sicher in die Geschichte eingehen. Ein herausforderndes Jahr, geprägt durch eine nie dagewesene Humaninfektionskrise, die uns gezeigt hat, dass wir nicht nur für uns selbst sondern auch für unsere Mitmenschen in der Verantwortung stehen. Das disziplinierte Verhalten unserer Bevölkerung und das außerordentliche berufliche und ehrenamtliche Engagement, das in den entsprechenden Aufgabenfeldern unermüdlich geleistet wird sowie die vielen Spenden und Hilfsangebote haben gezeigt, dass wir auf gegenseitige Solidarität und Unterstützung bauen können.

Was bedeutete dies für Ihre Verwaltung?
Für mich und mein Team in der Kreisverwaltung begann alles mit dem ersten Corona-Fall am 27. Februar 2020. Die Corona-Pandemie stellte die gesamte Verwaltung vor bislang ungeahnte Herausforderungen. Und dies nicht nur im Bereich des Gesundheitsamtes, sondern auch im Katastrophen- und Bevölkerungsschutz, im Ordnungswesen oder an den Infotelefonen. Seither konzentrieren sich alle verfügbaren Kräfte in allen Verwaltungseinheiten neben dem normalen Alltagsgeschäft auf den Umgang mit Corona. Aus dem Stand mussten phasenweise bis zu 40 zusätzliche Mitarbeiter/innen aus anderen Bereichen abgezogen und im Gesundheitsamt eingesetzt werden, um dem unvorstellbaren Arbeitsaufkommen bei der Nachverfolgung von Index- und Kontaktpersonen begegnen zu können. Die hohen Fallzahlen stellten sich als eine absolute Herkulesaufgabe dar, die uns alle sowohl psychisch als auch physisch über die Maßen forderte. Hinzu kam ein enormer Organisations- und Betriebsaufwand für das kreiseigene Testzentrum in Schwedelbach mit bislang rd. 9.000 Testabstrichen. Allein diese Zahlen (Stand: 31.12.20) sprechen für sich. Und nicht zu vergessen: Die logistische Meisterleistung unseres Koordinatorenteams, das gegen Ende des Jahres innerhalb von nur 3 Wochen unser gemeinsames Impfzentrum von Stadt und Landkreis auf dem Opel-Werksgelände fristgerecht organisiert und eingerichtet hatte.
Zudem mussten wir alle lernen, mit dieser für uns neuen Situation umzugehen, neue Formate wurden kreiert, Telefon- und Videokonferenzen sowie Homeoffice und mobiles Arbeiten bestimmten den Tagesablauf.

Aber Corona war ja nicht alles was 2020 in Erinnerung bleibt, oder?
Keineswegs! Der normale Betrieb musste ja parallel weiterlaufen. Das Jahr 2020 war für den Landkreis und die Kreisverwaltung Kaiserslautern in vielerlei Hinsicht ein erfolgreiches Jahr! Beginnend mit unserem erfolgreichen und reibungslosen Umzug nach über 3-jähriger Bauphase in unser neu- und energetisch saniertes Kreishaus in der Lauterstraße. Während ich 2019 als ein „Jahr der Projekte“ ausgerufen hatte, kann man 2020 auch als ein „Jahr der Entscheidungen“ bezeichnen. Denn, nach einem wahren Antrags- und Fördermarathon konnten im Oktober 2020 endlich die Förderbescheide für unseren kreisweiten Breitbandausbau mit schnellem Glasfaser bis zum Hausanschluss in Empfang genommen und auch direkt mit dem ersten Spatenstich begonnen werden. Des Weiteren waren wir in zwei richtungsweisenden Klageverfahren gegen das Land Rheinland-Pfalz erfolgreich. Zum einen konnten wir uns erfolgreich vor dem OVG Koblenz gegen die zwangsweise vorgenommene Kreisumlageerhöhung seitens der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) wehren. Und zum anderen stellte der Verfassungsgerichtshof als höchstes Verwaltungsgericht in Rheinland-Pfalz die Verfassungswidrigkeit des Kommunalen Finanzausgleichs auf Grund unserer Klage gegen die Schlüsselzuweisungen des Landes für 2015 und die Folgejahre fest. Des Weiteren konnten perspektivische Entscheidungen für die Sanierung des Sickingen-Gymnasiums Landstuhl im Bestand und hinsichtlich der Klärung der Standortfrage unserer Abteilung „Jugend und Soziales“ in Landstuhl getroffen werden. Und last but not least ist nach einem mehrjährigen Sondierungs- und Verhandlungsverfahren eine weitere Entscheidung mit der erfolgreichen Sparkassenfusion der Kreissparkasse mit der Stadtsparkasse Kaiserslautern gefallen, wovon unter anderem zahlreiche kreisangehörige Kommunen in den nächsten 15 Jahren mit doppelten Gewerbesteuererlösen maßgeblich profitieren.

Und was haben wir mit Blick ins neue Jahr zu erwarten?
Auch 2021 wird uns zwangsläufig und auf unabsehbare Zeit mit der Pandemie beschäftigen und unseren Alltag weiter dominieren. Gleich zu Beginn des Jahres starten wir mit unserem gemeinsamen Impfzentrum mit den regulären Impfungen auf dem Opel-Werksgelände. Die Mobilen Impfteams haben ja bereits mit den Impfungen in unseren Altersheimen begonnen. Mit dem Start der Corona-Schutzimpfungen verbinde nicht nur ich die große Hoffnung, dass wir das Virus in 2021 besiegen können. Ich gehe davon aus, dass die Einschränkungen im kommenden Jahr geringer werden – allerdings nur langsam. Von daher rechne ich erst im Frühsommer damit, dass sich die Situation verbessert, weil dann vieles wieder draußen stattfinden kann und die Impfungen hoffentlich erste Wirkungen in der Hochrisikogruppe zeigen.

Der Landkreis hat ja auch zahlreiche Projekte am Laufen! Wie geht es da weiter?
Ja, in der Tat! Auch wenn uns die Pandemie in einigen Projekten, was die Umsetzung anbelangt, etwas ausgebremst hat, sind wir zuversichtlich, dass wir unsere Vorhaben in 2021 weiter voranbringen können. In unserem interkommunalen TRAFO-Kooperationsprojekt (Transformation und Kultur im Wandel) mit dem Landkreis Kusel, dem eine bewilligte Bundesförderung von rd. 1,25 Mio. € zu Grunde liegt, werden erste personellen Weichen gestellt und in den nächsten 4 Jahren dann für das Westpfälzer Musikantenland konkrete Modelle und Projekte umgesetzt, bei denen die Musik und das Wandermusikantentum als verbindende Elemente in Kooperation der beiden Musikantenmuseen in Kusel und Mackenbach im Vordergrund stehen.
Ferner wird unser Aushängeschild an interkommunaler Zusammenarbeit – das Kooperationsprojekt „Rund um die Alte Welt“ – mit Unterstützung mehrerer flankierender Förderprojekte weiter vorangetrieben und in die kreisangehörigen Gemeinden transferiert. Das Modellprojekt wurde bekanntlich durch 4 Landkreise und die Kirche auf Initiative der Landräte des Donnersbergkreises sowie der Kreise Kusel, Bad Kreuznach und Kaiserslautern ins Leben gerufen, um die Potentiale der ländlichen Region zwischen Glan, Lauter und Alsenz mit einer gemeinsamen und gebietsübergreifenden Strategie voranzubringen.
Bei unserem erfolgreichen Kooperationsprojekts mit der TU Kaiserslautern (Fachgebiet Stadtumbau und Ortserneuerung) können wir auf eine Fortsetzung bauen, von dem vor allem die Gemeinden im Kreis durch innovative Planungsideen von Studierenden quasi zum Nulltarif profitieren können.
Ganz besonders freut mich, dass 2021 unser Vorzeige-Naturprojekt „Kranichwoog“ eine weitere Attraktion erfährt. Nachdem das „Beweidungsmodul“ zum Kranichwoog mit karpatischen Wasserbüffeln fertiggestellt ist und eine sehr große Nachfrage bei Besuchern nach Aussicht auf den Kranichwoog bzw. der Wasserflächen besteht, ist 2021 der Bau eines Aussichtsturms geplant. Unter dem Arbeitstitel „Naturerlebnisturm Kranichwoog“ ist ein bis in die Baumwipfel reichender Aussichtsturm in Waldrandlage geplant. Die Idee ist, dem Turm eine starke umweltpädagogische Ausrichtung durch diverse Infotafeln im Innern zu geben. Damit könnte unser überregional bedeutsames Naturschutzprojekt angemessen sowohl für Besucher mit allgemeinem Interesse als auch Ornithologen erlebbar gemacht werden, ohne Störungen in die Projektfläche zu tragen.

Und was nehmen Sie sich persönlich vor?
Persönlich? Zunächst einmal, dass ich wieder regelmäßiger auf mein Rad steigen will. Auf dem Rad kann ich bestens abschalten und den Kopf frei kriegen. Und ansonsten, dass ich gemeinsam mit unserem gesamten Kreisvorstand und unseren Mitarbeiter/innen alles dafür tun werde, sowohl die Pandemie als auch die uns gestellten Aufgaben so verantwortungsvoll und engagiert zu meistern, wie bisher auch. Ungeachtet dessen hat gerade das abgelaufene Jahr gezeigt, dass die Corona-Pandemie auch als Chance gesehen werden kann: Jede Krise eröffnet auch ganz neue Sichtweisen auf über Jahre hinweg liebgewonnene Routinen und nie hinterfragte Gepflogenheiten. Denn Krisen schaffen Lerngelegenheiten, die jeder Einzelne für sich überdenken und definieren kann. Und wenn uns die Krise gezwungenermaßen eines beschert hat, dann, dass wir mehr Zeit für andere Dinge haben. Zumindest dies. Deshalb werde auch ich über die Sinnhaftigkeit einiger tradierter Routinen nachdenken.