Eine Revue. Klingt erstmal ein wenig nostalgisch. Aber war damit wirklich nur die Vergangenheit gemeint?
Was der Titel versprach, zeigte auch das Bild, das sich bei Einlass dem Publikum bot und statt eines Vorhangs die Bühne verdeckte. Ein Tanzpaar im Charleston-Look, stehend auf einer übergroßen rauchenden Bombe. Die Zwanziger Jahre waren ein Jahrzehnt der Gegensätze. Auf der einen Seite Feierstimmung, Tanzen, Neuerungen, Lebensfreude. Auch die Wirtschaft florierte. Zumindest bis zur großen Inflation 1923. Denn das war die andere Seite der Zwanziger. Unter der Oberfläche brodelte es, Nachkriegszeit, aufkommender Nationalsozialismus, Wirtschaftskrise.
Diese ambivalente Stimmung in einen Theaterabend zu packen, ist nicht leicht. Das Theater Trier hat es jedoch geschafft. In tollen Kostümen und mit schwungvollen Tanzrhythmen nahm es einen mit in die goldenen Zwanziger Jahre und ließ dabei keinen charakteristischen Tanzschritt aus. Mit schnellen Füßen und viel Spaß war von Charleston bis Steppen alles dabei. So hatte man gleich Lust, selbst das Tanzbein zu schwingen. Doch da war ja noch die andere Seite. Am Abend verkörpert durch Michael Hiller, der als Kulturbeauftragter der Bundeskulturkammer die Generalprobe der bevorstehenden Silvesterrevue zum Jahreswechsel 2020/21 zu „überprüfen“ hatte und die Show immer wieder mit Kommentaren unterbrach, die einen schlucken ließen. Angefangen mit dem Verteilen von Fragebögen, mit der Intention die Staatsangehörigkeit der Theaterdarsteller zu erfahren. Rassistische Äußerungen und Fragen nach Arbeitserlaubnissen getarnt mit dem Argument die deutsche Kunst fördern zu wollen.
„Ein Tanz auf dem Vulkan“, geschrieben und inszeniert von dem Intendanten des Theaters Trier Manfred Langner, schwört damit Zukunftsperspektiven herauf, die vielleicht näher sind, als wir glauben möchten. So wusste das Publikum nicht immer, ob es nach der ein oder anderen Tanznummer nun klatschen solle oder nicht. Denn auch in der Musik zeigten sich provokante Spitzen gegen die Politik und Gesellschaft. Der Umgang mit Kriegsverletzten, das Bild der Frau, Inflation: alles verpackt in das schöne Glitzerkleid der Zwanziger Jahre. Da gab es Lacher über eine satirische Betrachtung der Mode oder über eine Parodie Hitlers und manchmal blieb einem das Lachen auch im Halse stecken. Ausschnitte aus bekannten Volksliedern verstärkten dieses Gefühl durch den neuen Kontext, in dem sie gesungen wurden und hielten doch gleichzeitig die Waage zum lustigen Hören bekannter Melodien. Daneben war es wohl vor allem für Trierer ein besonders spannender Abend. Mit vielen erzählenden Passagen zwischen den Liedern und Originalaufnahmen der Zeit, durchlebte man ganz lokal und historisch korrekt das Trier von 1920-30. Auch eine der Figuren, Louis Scheuer, dargestellt von Klaus-Michael Nix, war eine historische Person der Zwanziger Jahre und schrieb selbst viele Revuen. Bis der jüdisch lebende Trierer aufgrund des aufkommenden Nationalsozialismus zur Ausreise gezwungen war. Womit man wieder bei dem Brodeln unter dem Tanzparkett wäre.
„Auf der Karte steht doch, das wäre ein Unterhaltungsstück“, so der Kulturbeauftragte bei einer seiner Unterbrechungen. Doch der Abend war um einiges mehr. Er war auch mehr als ein Blick in die Vergangenheit. 100 Jahre später konnte man manchmal nur verlegen Schmunzeln über die Parallelen, die sich auftaten.
In einem Lied des Abends hieß es: „Alles kommt einmal wieder“. In dem neu gesetzten Kontext hatte dieser Satz einen bitteren Beigeschmack.
Doch vergaß „Ein Tanz auf dem Vulkan“ nicht den Blick auch auf das Positive zu richten. Wir entschieden wie der Vergleich zu den Zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts ausfallen wird.