Heute wird das Jugendstück “Türkisch Gold” anlässlich der Theatertage aufgeführt. Im Vorfeld sprach unsere Mitarbeiterin Selina Kuntz mit der Theaterpädagogin Nina Dudek aus Trier.
Kuntz: Was würden Sie sagen, um was geht es in „Türkisch Gold“ knapp zusammengefasst?
Dudek: Das Stück ist eine Liebesgeschichte, die mit den Themen Interkulturalität, einer Liebe im Spannungsfeld zwischen verschiedenen Kulturen und Freundschaft befasst ist. In „Türkisch Gold“ geht es um zwei Jugendliche, Jonas und Luiza, die beste Freunde sind. Die beiden treffen sich nach den Sommerferien wieder und berichten von ihrem Urlaub. Während Luiza in Brasilien bei ihren Verwandten war, verbrachte Jonas die Zeit mit seinem Vater in der Türkei, wo er sich in Aynur verliebt hat. Er erzählt Luiza davon, die allerdings versucht, ihm Aynur mit allen Mitteln schlecht zu reden. Luiza ist nämlich ebenfalls heimlich in Jonas verliebt, traut sich aber nicht, ihm dies einzugestehen. Für Jonas ist Luiza sein bester Kumpel, dem er alles erzählen kann. Die beiden spielen nun alle möglichen und unmöglichen Situationen durch, wie Jonas und Aynurs Beziehung in Deutschland (die beiden wohnen zufällig in derselben Stadt und Aynur ist in Luizas Parallelklasse) weitergehen könnte. Dabei jonglieren sie mit allen gängigen Vorurteilen und Klischees von beiden Seiten. Die bekannte Fernsehserie „Türkisch für Anfänger“ diente dabei als Inspirationsquelle für das Theaterstück.
Kuntz: Was hat Sie und das Theater Trier an dem Stück überzeugt, es auf den Spielplan zu setzen?
Dudek: Wir wollten gerne eine Liebesgeschichte erzählen, die die Jugendlichen in ihrer tatsächlichen Erlebniswelt abholt. Deutschland ist ein Einwanderungsland und schon lange finden sich in den Schulklassen Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, deren Familien in der zweiten oder dritten Generation aus vielen verschiedenen Ländern kommen. Dazu erzählt „Türkisch Gold“ auch von Situationen, die sicher viele selbst einmal durchgemacht haben.
Spannend ist es auch, wie die beiden DarstellerInnen in so viele verschiedene Rollen schlüpfen und es schaffen, dem Publikum zu zeigen, wen sie gerade darstellen.
Kuntz: Sehen Sie in dem Stück einen wichtigen aktuellen Bezug zum Heute?
Dudek: Wir haben in den vielen Nachgesprächen, die wir bereits mit Jugendlichen nach ihrem Proben- und Vorstellungsbesuchen gemacht haben, festgestellt, dass sie die angesprochenen Themen als durchaus aktuell und relevant betrachten. Das Schöne an dem Stück ist, dass sich auch der deutsche Junge, der in das türkische Mädchen verliebt ist, viele Gedanken um Ablehnung macht. Er hat Angst, von Aynurs Familie und Freunden eventuell nicht akzeptiert zu werden. Es geht also auch vor allem um seine Integration in ihr Umfeld und nicht nur umgekehrt, was die Geschichte sehr spannend macht.
Kuntz: Wie kommt „Türkisch Gold“ an? Haben Sie vielleicht Rückmeldungen, wie es die Jugendlichen finden?
Dudek: Hier ein O-Ton unserer „Patenklassen-Lehrerin“ zum Vorstellungsbesuch mit ihrem DS-Kurs:
„In „Türkisch Gold“ gelingt es den beiden Darstellern außerordentlich gut, sprachlich wie zwischenmenschlich einen Zugang zu den jugendlichen Zuschauern zu schaffen. Unabhängig davon, ob jedes Klischee die absolute Gegenwart trifft oder einzelne Formulierungen tatsächlich im aktiven Sprachgebrauch auf dem Schulhof zu finden sind, regt die Beschäftigung damit zum Nachdenken an. Vorurteile, Ablehnung, interkulturelles Mit- wie Gegeneinander sind zeitlos und hochaktuell.“
Kuntz: Was denken Sie, was erreicht Kinder und Jugendliche auf der Bühne?
Dudek: Ich denke, dass man Kinder und Jugendliche durch eine ganze Reihe von verschiedenen Formaten und Themen erreichen kann. Ein „Patentrezept“ gibt es dafür nicht. Wichtig finde ich, dass sie ernst genommen werden als Zuschauer. Gerade Kinder und Jugendliche können sehr kritische Zuschauer sein – es ist wichtig, dass die DarstellerInnen sie in ihren Rollen und in ihrem Tun überzeugen können, dass sie authentisch sind.
Kuntz: Findet sich das bei „Türkisch Gold“?
Dudek: Absolut – die SchülerInnen finden unsere beiden Darsteller Martin Geisen als Jonas und Davina Donaldson als Luiza in ihren Rollen überzeugend. Obwohl die beiden natürlich selbst keine Jugendlichen mehr sind, verkörpern sie diese jedoch glaubhaft, so das Fazit unserer jugendlichen ZuschauerInnen.
Kuntz: Sehen Sie als Theaterpädagogin bei Kindern und Jugendlichen immer noch ein großes Interesse an Theater oder haben Sie den Eindruck, dass es mit der voranschreitenden Digitalisierung der Welt immer weniger wird etwas live auf der Bühne sehen zu wollen?
Dudek: Unsere Erfahrung zeigt, dass Kinder und Jugendliche sehr wohl ein großes Interesse an Theater zeigen. Aber es ist natürlich so, wie bei vielen Dingen – man muss sie erst einmal kennenlernen, um zu wissen, dass sie spannend sein können. Das ist unsere Aufgabe als TheatervermittlerInnen – die Kinder und Jugendlichen für die vielen Aspekte und Möglichkeiten, die das Theater umfasst, zu begeistern.
Kuntz: Unsere Ministerpräsidentin Malu Dreyer sagte in ihrer Eröffnungsrede, dass es wichtig sei, dass Theater und Kultur sich in gesellschaftspolitische Diskussionen einmische.
Um das zu gewährleisten braucht es vor allem den Nachwuchs. Was denken Sie, wie sollte ein Theater an die Aufgabe herangehen, Kinder und Jugendliche auch zukünftig für Kultur zu begeistern?
Dudek: Als Theaterschaffende sollte man versuchen, am Puls der Zeit zu sein mit Stücken, die eine Relevanz haben für Kinder und Jugendliche. Nicht nur „Klassiker“ zeigen, die die SchülerInnen in der Schule lesen, auch wenn diese natürlich immer auch spannende immer noch/wieder aktuelle Themenstellungen verhandeln, sondern auch Stücke, die speziell für Kinder und Jugendliche geschrieben wurden/werden. Meiner Erfahrung nach finden es viele Kinder und Jugendliche spannend, dass alles live ist bei uns – alles passiert in dem Augenblick und macht den Moment zwischen Publikum und DarstellerInnen besonders und zauberhaft. Das ist etwas, was man gerade in der digitalisierten Welt nicht mehr oft hat und was gewertschätzt werden kann und auch wird.